Jane Austen in der Klosterkirche
Es war eine Premiere mit besonderem Charme: Mit Jane Austens Northanger Abbey wurde erstmalsdurch die Biesdorfer Theatergruppe Ludigaudens ein Stück in der Klosterkirche aufgeführt – ein Ort, der sich, auch wenn er noch nicht von Jahrhunderten durchweht ist, dennoch als wahrhaft passender Schauplatz erwies: schlicht, reich an Atmosphäre und offen für das Spiel zwischen Fantasie und Realität.
Die Inszenierung lebte von verschiedenen Kontrasten: hervorragende Lichteffekte, eindrückliche Schattenrisse und das feine Spiel mit Andeutungen ließen das Publikum immer wieder zwischen Realität und Täuschung taumeln – ganz im Sinne der jungen Catherine Morland, grandios verkörpert von Bine Borrelbach, deren kindliche Leselust und wachsender Realitätssinn sich in jeder Szene spiegeln. Über all dem schwebt Jane Austen selbst – in der Inszenierung witzig, wach und leicht spöttisch gespielt von Fiona Sonnen. Als Erzählerin und heimliche Regisseurin führt sie mit feiner Klinge durch Bälle, Briefe und Bauchgefühle.
Ein besonderes Highlight des Abends waren die historischen Tänze: „The Duke of Kent’s Waltz“ und „The Indian Queen“, beides originale English Country Dances, choreografisch aufwendig und liebevoll einstudiert und mit stilistischer Eleganz präsentiert. Sie gaben der Aufführung nicht nurTempo und Farbe, sondern verankerten das Geschehen tief in der Welt der Epoche des englischen Regency.
Neben der famosen Catherine ragte besonders Joana Parlapanova als Isabella Thorpe hervor – eine überaus authentische Mitgiftjägerin, bei der jeder Augenaufschlag zugleich Versprechen und Drohung bedeutete. Ihre Mischung aus affektierter Bildung und kalkulierter Verführung war ein komödiantisches Glanzstück. Aber auch das Spiel um die Brüder Morland und Thorpe überzeugte auf ganzer Linie: Noah Moon (alternierend mit Lén Herrmann) stellte James Morland als gutmütigen, leicht gutgläubigen Bruder dar, dessen ehrliches Wesen dem intriganten Umfeld sympathisch naiv gegenübersteht.
Marian Ziwes verkörperte mit viel Spielfreude den eitlen, großspurigen John Thorpe, dessen selbstgefällige Aufschneiderei stets für augenzwinkernden Humor sorgte. Auch die düsteren Bewohner Northangers kamen überzeugend zur Geltung: Jakob Hummel als Henry Tilney, charmant mit Tiefgang, Maximilian Hau als unheimlicher General, und Moritz Weis als verwegener Frederick – sie alle bewegten sich mit sichtbarem Vergnügen durch das ironisch gebrochene Gothic-Setting.
Dass dieses Spiel mit Licht, Schatten und psychologischem Grusel so gut funktionierte, ist dem Technikteam um Jonas Eiden, David Kusch, Ben Mayer und Matthias Nusbaum zu verdanken, deren Lichteffekte mal subtil, mal schlaglichtartig die Räume schufen, in denen Catherine sich verliert – und wiederfindet.
Die Regie – in den Händen von Stephanie Jost und Johanna Dillenburg – traf den richtigen Ton zwischen romantischer Spannung, Austen’schem Witz und gespenstischem Spiel. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Stephanie Jost durch ihre eigene Übersetzung und Bearbeitung der englischen Urfassung maßgeblich zum Erfolg der Inszenierung beigetragen hat.
Die erste Produktion von Ludigaudens in der Klosterkirche Biesdorf geriet damit nicht nur zur gelungenen Premiere, sondern zum atmosphärischen Volltreffer.